»Schluss mit dieser Rüstungsscheiße!«

Rede zum Ostermarsch am 19.04.2025 am EUCOM in Stuttgart von Gerhard Jüttner, stellvertretender Landesvorsitzender der NaturFreunde Württemberg e.V.

Liebe Friedensbewegte, liebe NaturFreund*innen, liebe Anwesende,
wie schon in den vergangenen Jahren beginnen wir auch dieses Mal unseren Stuttgarter Ostermarsch vor den Patch Barracks – dem Sitz des US-Europakommandos, kurz EUCOM. Ich danke Euch allen herzlich für euer Kommen. Gemeinsam setzen wir hier ein starkes Zeichen: für Frieden – und gegen jeden Krieg.

Mein besonderer Dank gilt Peter Pipiorke von der NaturFreunde-Radgruppe Stuttgart für die Organisation dieser Auftaktkundgebung sowie des anschließenden Radkorsos zur Hauptveranstaltung auf dem Schlossplatz. Ebenso danke ich Stefan Genze für die musikalische Begleitung und dem Friedenstreff S-Vaihingen für seine Unterstützung.

Das Motto des diesjährigen Ostermarsches bringt es auf den Punkt: „Friedensfähig statt kriegstüchtig – Aufstehen für eine soziale und gerechte Welt!“

Es fasst zusammen, was uns antreibt: Wir treten ein für eine friedliche Welt und stellen uns entschieden gegen jegliche Aufrüstung und Kriegsrhetorik, die uns in eine neue, unermessliche Katastrophe führen könnten – in Stuttgart, in Deutschland, in Europa und weltweit.

Eine der tiefsten Ursachen für Kriege ist die zunehmende soziale Spaltung, genährt durch einen entfesselten Kapitalismus. Wenn Menschen in Unsicherheit, Armut und Perspektivlosigkeit leben, sind sie besonders anfällig für Hass, Ausgrenzung und Kriegspropaganda.

Seit drei Jahren hören wir von der EU-Kommission, den Regierungen und vielen Medien, dass es im Ukrainekrieg um Freiheit und Menschenrechte gehe. Ja – der russische Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 war ein klarer Bruch des Völkerrechts, ein verbrecherischer Akt. Das darf und muss benannt werden. Und doch sollten wir uns – bei aller berechtigten Empörung – unseren Verstand bewahren.

In diesem Zusammenhang möchte ich an Egon Bahr erinnern, der einmal sagte:
„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das – egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
Ein Zitat, das uns helfen kann, internationale Konflikte kritisch und differenziert zu betrachten.

Dass Staaten in erster Linie ihre eigenen Interessen verfolgen – oft die Interessen wirtschaftlich starker Akteure – zeigt sich auch in den Beziehungen zwischen den USA, der EU und Deutschland. Während frühere US-Regierungen ihre Hegemonialpolitik gern hinter Begriffen wie „Freundschaft“, „Demokratie“ oder „gemeinsame Werte“ versteckten, sprach die Trump-Administration offen aus: Wer nicht mitzieht, muss mit Nachteilen rechnen.

Vor diesem Hintergrund erscheint vielen die militärische Präsenz der USA hier in Stuttgart – mit EUCOM und AFRICOM – nicht mehr als Zeichen freundschaftlicher Verbundenheit, sondern als Ausdruck militärischer Dominanz. Diese Truppen sind für viele längst keine willkommene Präsenz mehr – sondern ungebetene Gäste. Wir sagen klar:
AFRICOM und EUCOM schließen – lieber heute als morgen!

Doch es kommt noch bedrohlicher: Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden wollen offenbar die Stationierung einer neuen Generation von Mittelstreckenwaffen in Deutschland – und nur hier. Damit würde Deutschland erneut zum potenziellen Hauptziel im Fall eines militärischen Konflikts.

Besonders alarmierend: Diese sogenannten „Dark Eagle“-Raketen können nicht nur konventionell, sondern möglicherweise auch atomar bestückt werden. Noch gravierender ist ihre extrem kurze Vorwarnzeit von nur sechs Minuten. Im Ernstfall wäre kaum noch Zeit zur Unterscheidung, ob ein Angriff konventionell oder nuklear erfolgt – und ebenso wenig Zeit zur Reaktion. Das erhöht die Gefahr eines Erstschlags und macht Deutschland besonders verwundbar.

Wollen wir das wirklich? Nein, wir wollen das nicht!
»Wir sagen’s oft und gar nicht leise: Schluss mit dieser Rüstungsscheiße!«

Hinzu kommt die finanzielle Dimension: Die geplante Aufrüstung wird mit gewaltigen Schulden finanziert. Schon am 18. März hat der Bundestag die Grundlage dafür geschaffen. Allein durch die Zinsen auf die geplanten Rüstungsschulden entstehen jährliche Mehrbelastungen von fast 14 Milliarden Euro. Und das betrifft nur die Rüstung – für Infrastruktur gelten ähnliche Summen.

Diese Kosten werden den ohnehin angespannten Bundeshaushalt zusätzlich belasten. Bei einer zulässigen Neuverschuldung von nur 0,35 % des BIP – rund 15 Milliarden Euro – wird es zu massiven Einschnitten kommen müssen: bei Sozialem, Bildung, Klima- und Umweltschutz. Alternativ drohen Steuererhöhungen – oder beides.

Eine friedliche, gerechte und solidarische Gesellschaft sieht anders aus.

Was mich besonders erschüttert: Diese weitreichende Aufrüstungspolitik wurde nahezu ohne öffentliche Debatte durchgewunken. In den 1980er-Jahren war das noch ganz anders – erinnert Euch an die riesige Demonstration 1981 im Bonner Hofgarten mit über 300.000 Menschen oder an die Menschenkette von Stuttgart nach Ulm im Jahr 1983.

Damals war auch Verhandlungsbereitschaft ein Thema. Heute hingegen gibt es keinerlei erkennbare diplomatische Initiative, um solche Waffen zu begrenzen oder zu ächten.
Ein fatales Signal.

Wir NaturFreunde – gemeinsam mit unserem Bundesvorsitzenden Michael Müller – gehören zu den Mitinitiatoren des „Berliner Appells“, der sich klar gegen die Stationierung dieser Mittelstreckenwaffen richtet. Ihr könnt den Appell online unterzeichnen unter
👉 
– oder direkt hier vor Ort auf den ausliegenden Unterschriftenlisten.

Liebe Friedensfreund*innen,
die Unterzeichnung dieses Appells ist wichtig – aber ebenso wichtig ist es, dass wir uns auch darüber hinaus für den Frieden starkmachen. Ob auf Social Media, in Leserbriefen oder im direkten Gespräch mit Familie, Freundinnen oder Kolleginnen – jede Stimme zählt. Und es gibt viele Gruppen, denen wir uns anschließen können: Neben uns NaturFreunden zum Beispiel die Deutsche Friedensgesellschaft – DFG/VK, pax christi, die Gesellschaft „Kultur für den Frieden“, deren Mitglied Stefan Genze uns heute musikalisch begleitet – und viele weitere Friedensinitiativen im ganzen Land.

Lasst uns gemeinsam wachsam bleiben und handeln.
Nicht kriegstüchtig wollen wir sein, sondern friedenstüchtig.
Nicht resignieren – aufstehen für eine soziale und gerechte Welt!

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit.