Rihm Hamdan für die Demonstration "Nie wieder kriegstüchtig!“ in Stuttgart am 3. Oktober 2025
Liebe Freund*innen Palästinas,
Ich beginne immer mit einer Beschreibung der Lage in Gaza und im Westjordanland gestützt auf Zahlen und Statistiken, um das deutsche Publikum zu überzeugen. Um ehrlich zu sein: Ich hasse es. Ich hasse es, die Träume, Hoffnungen und Erfahrungen meines Volkes in seelenlose Zahlen zu verwandeln. Aber die harte Realität in Gaza lässt keinen Raum für meine persönlichen Gefühle. Deshalb beschreibe ich nur einen winzigen Teil des Bildes mit Folgendem:
Save the Children berichtete letzten Monat, dass Israel in fast 23 Monaten Genozid mindestens ein Kind pro Stunde ermordet hat. Die Zahl der getöteten Kinder übersteigt mittlerweile 20.000.
Denkt mal darüber nach: Von 100 Kindern in Gaza wurden 2 getötet, 2 sind vermisst oder gelten als tot, 3 wurden schwer verwundet, 5 wurden zu Waisen oder von ihren Eltern getrennt, 5 brauchen Behandlung wegen akuter Mangelernährung und der Rest lebt unter brutaler Bombardierung.
Unser Schmerz ist größer, als Worte ihn fassen können. Aber unsere Wut ist global und sie ist laut. Wir lassen die Stimmen unserer Kinder in den Ohren jener widerhallen, die den Genozid in Gaza unterstützen, jener, die blind die israelische Propaganda wiederholen, um die systematische Zerstörung von Spielplätzen, Schulen und Krankenhäusern zu rechtfertigen, die Vergewaltigung von Gefangenen, die Entführung und Folter von Ärzt*innen, die Ermordung von Journalist*innen oder das gezielte Schießen auf hungernde Kinder, die nach Essen suchen.
Wir dürfen niemals die Namen derjenigen vergessen, die die israelischen Gräueltaten in Deutschland gerechtfertigt haben – Annalena Baerbock, Olaf Scholz, Friedrich Merz und viele andere. Schämt euch!
In einer Welt, in der das massenhafte Töten palästinensischer Kinder als „Selbstverteidigung“ gilt, wählen wir den Widerstand!
In einem Land, in dem eine Palästinenserin nicht einmal die Grenzen ihrer Heimat beschreiben darf, ohne strafrechtlich verfolgt zu werden, während deutsche Zionist*innen wie Daniel Graetz der IDF dienen und dokumentierte Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen dürfen, MIT IMMUNITÄT, haben wir keine andere Wahl, als zu Widerstand zu leisten.
In einem Land, das der zweitgrößte Waffenexporteur Israels ist, aber verletzten Babys aus Gaza das Visum aus „Sicherheitsgründen“ verweigert, fordern wir: Leistet Widerstand!
Liebe Freund*innen Palästinas,
In einem globalen politischen System, in dem Trump es wagt, für seine Neuerfindung des Kolonialismus gegen Palästinenser*innen einen Friedensnobelpreis zu fordern, müssen wir widerstehen.
Vor fünf Tagen trafen sich Donald Trump und Benjamin Netanyahu, um über die Zukunft der Palästinenser*innen zu entscheiden, in einem weiteren sogenannten „Friedensplan“. Netanyahu, ein wegen Völkermords gesuchter Kriegsverbrecher, erhielt erneut die Weltbühne, um über das Schicksal seiner Opfer zu bestimmen.
Der Plan beginnt mit einer grotesken Annahme: Israel ist keine Besatzung. Daher wird jeder Widerstand dagegen als Terrorismus bezeichnet, der die härteste Strafe verdient.
Trumps „genialer“ Weg, den Krieg zu beenden, ist die Wiedereinsetzung eines Mandats über das palästinensische Volk ,durch ein ausländisches Gremium, geleitet von einem weiteren britischen Kriegsverbrecher, Tony Blair, um Gaza zu regieren.
Der Plan will Gaza entmilitarisieren und mit Hilfe und Investitionen locken – eine bekannte US-Formel, die wirtschaftliche Entwicklung als Ersatz für politische Rechte anbietet. Das ist ein kolonialer Bauplan: Gazas Zukunft als isolierte Einheit neu zu entwerfen, ohne sein Volk zu befragen, nachdem in nur zwei Jahren mehr als 65.000 Palästinenser*innen getötet wurden.
Dieser Plan zeigt, wie kapitalistische weiße Männer denken: Zugang zu Nahrung, Wasser, Medizin und Sicherheit sind keine Rechte, sondern Verhandlungsmasse. Das ist nicht nur psychopathisch, es ist die schamloseste Form des Machtmissbrauchs.
Seien wir klar: Trumps Plan ist nichts anderes als ein weiterer Versuch, den Gazastreifen nach einem kolonialen, investitionsorientierten und sicherheitsbasierten Konzept umzugestalten, dessen einziges Ziel es ist, das zionistische Gebilde aus seiner Isolation zu retten.
Sie nennen es Investition, wir nennen es Kolonialismus.
Sie nennen es Sicherheit, wir nennen es Belagerung.
Der Krieg gegen Gaza, geführt mit genozidalen Mitteln, wird jetzt als „Diplomatie“ neu verpackt. Den Palästinenser*innen werden obszöne Optionen gegeben: „Wollt ihr ausgelöscht werden? Oder wollt ihr auf eure kollektiven nationalen Rechte verzichten?“ Unsere Antwort: NEIN zu beidem.
Liebe Freund*innen Palästinas
Zeitgleich mit Trumps neuem Spiel erhoben sich weltweit freie Stimmen, die die Szene in ihrer wahren Form sahen: eine Besatzung und ein Volk, das sich dagegen wehrt, was ehrliche, ethische und gerechte Ansätze erfordert.
Wenige Tage zuvor, als Netanyahu mit seinen üblichen Requisiten vor einer fast leeren UN-Generalversammlung gestikulierte, demonstrierten Hunderttausende weltweit, italienische Gewerkschaften riefen zum Generalstreik auf, die Gaza-Sumud-Flottilla setzte ihre Mission zur Durchbrechung der Belagerung fort und unzählige Akte zivilen Widerstands erschütterten die Welt für Gaza.
Wir sagen es laut und klar: Es ist nicht Sache von Blair, Trump oder Netanyahu, über unsere Zukunft zu entscheiden. Dieses Recht gehört dem palästinensischen Volk.
Selbstbestimmung ist nicht nur ein Recht nach der UN-Charta, sie ist der fundamentale Wunsch aller Völker, ihre eigene Zukunft zu gestalten. Wir ertragen Jahrzehnte der Besatzung und
Apartheid, und jetzt den Genozid. Aber wir haben niemals auf unser Recht auf Selbstbestimmung verzichtet, und wir werden es niemals tun. Wir wählen den Widerstand.
Liebe Freund*innen Palästinas
Wie gesagt! Wir wählen den Widerstand, aber um effektiv zu widerstehen, brauchen wir eure wahre Solidarität.
Solidarität bedeutet nicht, für uns zu sprechen. Sie bedeutet, Räume zu schaffen, in denen Palästinenser*innen selbst sprechen können. Jetzt ist die Zeit, palästinensische Stimmen zu hören, sie durch strategische Mobilisierung zu unterstützen, mediale Alternativen aufzubauen, die Konzernmedien zur Verantwortung zu ziehen und direkten politischen Druck in Parteien, Gewerkschaften, Universitäten und allen verfügbaren Räumen auszuüben – bis Palästina frei ist!
Symbolische Gesten sind schlimmer als nutzlos. Unsere Ziele müssen sein: den Genozid zu beenden, das Apartheid-System zu isolieren, gleiche Rechte und das Rückkehrrecht zu fordern. Das ist kein Extremismus, es ist das absolute Minimum an Gerechtigkeit.
Boycottiert Israel – zieht eure Investitionen aus allem, was diesen Staat unterstützt raus und lasst uns dafür sorgen, dass der Apartheidstaat sanktioniert wird!
Palästina lebt, und Palästina leistet Widerstand – bis Palästina frei ist, ganz Palästina.
Vielen Dank.
- Es gilt das gesprochene Wort –