Ronja Fröhlich: Nein zur Wehrpflicht

Redebeitrag für die Demonstration "Nie wieder kriegstüchtig!“ in Stuttgart am 3. Oktober 2025

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
ich möchte meine Rede mit Auszügen von Bertolt Brechts Appell an den Bundestag von 1956 beginnen:

Als ich ein junger Mensch war, gab es in Deutschland eine Wehrpflicht und ein Krieg wurde begonnen, der verloren ging. Die Wehrpflicht wurde abgeschafft, aber als Mann erlebte ich, wie sie wieder eingeführt wurde, und ein zweiter Krieg wurde begonnen, größer als der erste. Deutschland verlor ihn wieder und gründlicher, und die Wehrpflicht wurde wieder abgeschafft. […] Jetzt an der Schwelle des Alters, höre ich, dass die Wehrpflicht zum dritten Mal eingeführt werden soll. Gegen wen ist der dritte Krieg geplant? […] Wir leben im Atomzeitalter, und 12 Divisionen können einen Krieg nicht gewinnen – wohl aber beginnen. Und wie sollten es bei allgemeiner Wehrpflicht 12 Divisionen bleiben! Wollt ihr wirklich den ersten Schritt tun, den ersten Schritt in den Krieg? Den letzten Schritt, den in das Nichts, werden wir dann alle tun. […] Da ich gegen den Krieg bin, bin ich gegen die Einführung der Wehrpflicht […].

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

Brechts Appell hat leider nicht an Aktualität verloren.

„Wollt ihr wirklich den ersten Schritt in den Krieg tun?“, fragt Brecht. „Whatever it takes“ hören wir heute vom Kanzler. Für uns heißt das: Blankoscheck fürs Militär, während jedes vierte Kind von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht ist. In Bildungseinrichtungen fehlen Lehrkräfte, Klassen werden größer statt kleiner und die Gebäude, in denen eigentlich gelernt werden soll, zerfallen bis hin zum Einsturz. Reallöhne sinken und mit Rente rechnet in meinem Alter wohl niemand mehr.

„Gegen wen ist der dritte Krieg geplant?“, fragt Brecht. Heute will der Verteidigungsminister die ganze Gesellschaft zum Krieg gegen Russland ertüchtigen. Uns wird erzählt, es ginge um Verteidigung, wir wissen, dass das gelogen ist. Wir wissen, dass es bei einer militärischen Überlegenheit der NATO gegenüber Russland von mindestens 1 zu 3 in fast allen Bereichen nicht um Verteidigung, sondern um Angriff geht. Diese Militarisierung, die Stationierung von Mittelstreckenraketen, die Wiedereinführung der Wehrpflicht, ist nicht in unserem Interesse und bedeutet Eskalation in den Krieg.

Anhand von zwei Weltkriegen mahnt Brecht gegen die Eskalation in den Krieg. Heute zeigt der Vizekanzler, dass der Losung "Nie wieder Krieg - nie wieder Faschismus" aktiv zuwidergehandelt wird, wenn er sagt: „Nach knapp 80 Jahren der Zurückhaltung hat Deutschland heute eine neue Rolle im internationalen Koordinatensystem. […] Deutschland muss den Anspruch einer Führungsmacht haben.“

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

leider ist es auch heute nötig, dass wir gegen die Wehrpflicht protestieren. Denn die Bundesregierung will die Wehrpflicht wiedereinführen. Ab 2026 sollen junge Männer, mit Fragebögen zur Auskunft über ihre Kriegstüchtigkeit gezwungen werden. Ab 2027 sollen verpflichtende Musterungen stattfinden und die Bundesregierung behält sich vor, junge Menschen auch abseits von Spannungs- oder Verteidigungsfall per Verordnung zum Kriegsdienst zu zwingen.

Die Wehrpflicht wird uns ein Jahr unseres Lebens nehmen, über das wir nicht länger selbst entscheiden dürfen. Wir sollen in Kasernen zu Drill und Gehorsam erzogen und „kriegstüchtig“ gemacht werden – in einer Institution, in der sich „Skandale“ wie Mobbing, sexualisierte Gewalt und faschistische Netzwerke häufen und viele psychische Probleme davontragen. Die Bundeswehr bietet keine Perspektive für Persönlichkeitsentwicklung. Wir wollen stattdessen lernen, kritisch zu denken, und uns für den Frieden einsetzen! Wir wollen über unser Leben und unseren Körper selbst verfügen!

Mit der Diskussion um die Wehrpflicht ist auch die Diskussion um Ersatzdienste zurück. Die Wiedereinführung von sozialen oder anderen Ersatzdiensten für die Wehrpflicht, verbessert die Situation in den unterbesetzten Bereichen nicht, im Gegenteil. Denn statt qualifizierter Fachkräfte werden Ungelernte eingestellt und als Lohndrücker gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen missbraucht. Für uns Jugendliche bedeutet das, als billige Arbeitskräfte und unter miesen Arbeitsbedingungen zu arbeiten. Wir brauchen stattdessen Entlastung durch mehr Personal, bessere Arbeitsbedingungen und mehr zivile Ausbildungsplätze!

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

die Hauptangst unter Jugendlichen in Deutschland ist Krieg. Junge Menschen auf der ganzen Welt und auch in Deutschland sehen aktuell, was Krieg bedeutet. Täglich sehen wir das schreckliche Leid, das auch mit deutschen Waffenlieferungen und der Unterstützung der Bundesregierung der palästinensischen Bevölkerung angetan wird. Parallel dazu plant die Bundesregierung, Deutschland mit der Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in ein potenzielles Kriegsgebiet zu verwandeln und Jugendliche mit der Wehrpflicht zu Kanonenfutter zu machen.

Stationierung von US-Raketen, Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, Wehrpflicht – das alles ist nicht in unserem Interesse, sondern im Interesse derer, die sich davon Einflusssphären, Absatzmärkte und steigende Profite erhoffen. Es zeigt eindringlich, wie viel Wahrheit in dem Satz „Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen“ steckt.

Dem gilt es etwas entgegenzusetzen:

Wenn wir heute für ein Recht auf ein Leben in Frieden eintreten wollen, dann bedeutet das, mit allen die es ehrlich meinen, die Aktivitäten rund um den Berliner Appell gegen die Stationierung der US-Raketen zu stärken und die Petition gegen die Wehrpflicht zu nutzen, um den Protest gegen die Wiedereinführung des Kriegsdienstes zu organisieren. Sprecht mit euren Freunden, Kindern, Enkeln, Kolleginnen und Nachbarn. Lasst uns Aktionen und Schulstreiks organisieren und den Protest auf die Straße tragen, wenn das Gesetz verabschiedet werden soll.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

ich habe mit Brecht begonnen und möchte auch mit Brecht enden: Da ich gegen den Krieg bin, bin ich gegen die Einführung der Wehrpflicht

Vielen Dank.

- Es gilt das gesprochene Wort –

Ronja Fröhlich ist aktiv beim Bündnis "Nein zur Wehrpflicht".

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